Beziehungsspuren unter der Haut

 

Unser Berührungssinn ist der einzige unserer Sinne, der immer und zwangsläufig auf Gegenseitigkeit beruht. Ich kann Dich sehen, ohne dass Du mich siehst. Du kannst mich hören, ohne dass ich Dich höre. Doch niemals kann ich Dich berühren, ohne von Dir berührt zu werden. Indem wir einander berühren, öffnet sich für diesen Moment die Grenze, die unser ICH gewöhnlich von allem anderen um uns herum trennt. Wir kommen in Kontakt und unser beider Haut ist das Bindeglied dazu. Dort tummeln sich unter der Oberfläche unter anderem so genannte C-taktile Zellen. Bei angenehmer, langsamer, durch sanfte Handwärme spürbare Berührung senden diese Sicherheit, Wohlgefühl und Entspannung an unser Gehirn. Wohlgemerkt: das geschieht auch und besonders bei eigener Passivität, beim Berührt werden. Berührung geht im wahrsten Sinne des Wortes "unter die Haut". Doch selten machen wir uns bewusst, dass dies keine Einbahnstraße ist. Die Art, in der ich jemanden berühre, wirkt auf mich selbst zurück. Jede Berührung hinterlässt Spuren in der Beziehung: eine grobe verletzende genauso wie eine behutsame, die die Grenzen beider respektiert. Wer einen anderen Menschen mit Achtsamkeit berührt, geht in diesem Moment auch fürsorglich mit sich selbst um. Die Umarmung, die nicht nur flüchtige Gewohnheit ist, sondern 100%iges Sein beim anderen, erleben wir selbst als Geschenk intensiver Verbindung. Gebe ich sie oder bekomme ich sie - das ist oft nicht zu unterscheiden.

 

 

 

 

Achtsam durchgeführt sind Berührungen unerlässliche Medizin gegen Einsamkeit und Stress. Sie stimulieren unser Entspannungssystem ohne medikamentöse Interventionen auf angenehme und natürliche Weise. Wer also unruhig oder angespannt ist, profitiert von liebevollen Umarmungen. Wer Umarmungen gibt, darf sich sicher sein, ebenfalls berührt zu werden. Diese Erfahrung haben wir alle irgendwann schon einmal gemacht. Erinnern wir uns und nutzen sie - gerade in angespannten Zeiten!